Macht- und Ränkespiele Dresden und die Lausitz: Sieben Theater-Highlights im Mai 2024
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10. Mai 2024, 12:06 Uhr
Der Mai 2024 bietet viel spannendes Theater: In Dresden gibt es Verwirrspiele zwischen Liebe und Hass. In Radebeul wird der Aufstieg mit Machthunger ungeschönt gezeigt. In Bautzen wird ein Shakespeare-Klassiker gespielt. In Görlitz hat Lukas Rietzschel den Menschen genau zugehört und daraus ein Theaterstück gebaut. Das sind die Highlights der Spielpläne für den Mai 2024 in Dresden und der Lausitz. Jeweils zu Beginn des neuen Monats wird diese Übersicht aktualisiert.
Inhalt des Artikels:
- Schauspiel in Bautzen: "Ein Sommernachtstraum" im Burgtheater
- Schauspiel in Dresden: "Die Familie Schroffenstein" am Staatstheater
- Figurentheater in Dresden: "Die Jüdin von Toledo" am Societaetstheater
- Performance in Dresden: "Ferne Väter" an der Bürgerbühne
- Schauspiel in Görlitz: "Das beispielhafte Leben des Samuel W."
- Musiktheater in Dresden: "Otello" an der Semperoper
- Schauspiel in Radebeul: "König Ubu" an den Landesbühnen
Schauspiel in Bautzen: "Ein Sommernachtstraum" im Burgtheater
Die Temperaturen steigen und am Volkstheater Bautzen kehrt Shakespeares Klassiker "Ein Sommernachtstraum" zurück auf die Bühne. Es ist ein klassisches Verwirrspiel: Weil sich der König der Elfen mit seiner Frau streitet, schickt er seinen koboldhaften Gehilfen los, der einen Liebestrank holt und einen Handwerker, der mit seinen Freunden ein Schauspiel probt, ein Paar Eselsohren verpasst. Auf dem Weg sieht der Elfenherrscher ein zerstrittenes Paar, dem er helfen will – und alles noch mehr durcheinanderbringt. Die Ausstattung von Linda Kowsky bleibt reduziert, die Spielorte werden angedeutet, die Figuren tragen Sommeranzüge oder luftige Kleider. Regisseur Mario Holetzeck vertraut auf Shakespeare und konzentriert sich ganz auf die Handlung (die auf der Bühne weniger verwirrend ist, als in der Nacherzählung). Ein Abend voller "unterhaltsamer Leichtigkeit", meint Rainer Könen in der "Sächsischen Zeitung". Im Mai wird die Inszenierung zum letzten Mal gespielt.
Weitere Informationen
"Ein Sommernachtstraum" von William Shakespeare
Adresse:
Burgtheater
Ortenburg 7
02625 Bautzen
Dauer: 180 Minuten, eine Pause
Termine:
17. Mai, 19:30 Uhr
Schauspiel in Dresden: "Die Familie Schroffenstein" am Staatstheater
Kleist hat es nicht leicht, denn seine Texte sind nicht gut gealtert mit ihren Rittern und Figuren namens Ottokar oder Kunigunde. Aber vielleicht ermöglicht gerade das, eine Distanz zur Handlung aufzubauen: Jeder möchte sich mit der Liebe von Shakespeares "Romeo und Julia" identifizieren, doch kaum jemand kennt die Familie Schroffenstein, obwohl deren Tragödie am Ende viel größer (und gleichzeitig viel konstruierter) ist: Die Geschichte spielt im Mittelalter und zwei Familien bezichtigen sich aufgrund eines Erbschaftsvertrags sich gegenseitig die Nachkommen zu ermorden. Die Produktion am Staatsschauspiel Dresden spielt auf der einen Seite mit Schlichtheit, denn die Spielorte werden nur mit Projektionen auf den grauen Kreis projiziert, und Opulenz mit den übertrieben mittelalterlichen Kostümen. Regisseur Tom Kühnel setzt vor allem auf die Spielfreude des Ensembles, dass sich gerne mal in den Umhängen verheddert und gibt dem etwas komischen Text eine wunderbare Frische. Dass darunter tiefgreifende Gedanken über Gerüchte und Falschmeldungen liegen, wird dennoch spürbar. Am Ende kommt es dann "zur schönsten Theaterszene, die ich 2022 gesehen habe", so MDR KULTUR-Theaterredakteur Stefan Petraschewsky – die ist ziemlich zeitlos und überzeugt auch 2024 noch.
Weitere Informationen
"Die Familie Schroffenstein" von Heinrich von Kleist
Adresse:
Schauspielhaus
Theaterstraße 2
01067 Dresden
Dauer: 160 Minuten, eine Pause
Termine:
18. Mai, 19:30 Uhr
Figurentheater in Dresden: "Die Jüdin von Toledo" am Societaetstheater
Die Ballade "Die Jüdin von Toledo" von Lion Feuchtwanger bleibt aus ähnlichen Gründen relevant wie der Dauer-Klassiker "Nathan der Weise": Die Geschichte wirbt für Toleranz zwischen Menschen und Religionen. Dabei beleuchtet Feuchtwanger auch, wie Macht funktioniert. Denn die junge Frau Raquel gerät im 12. Jahrhundert zwischen die politischen Machenschaften von muslimischen und christlichen Fundamentalisten in Spanien. Die Dresdner Gruppe Cie. Freaks und Fremde bringt die Geschichte mit Marionetten auf die Bühne. Doch sie verlassen sich nicht ausschließlich auf die feinen Gliederpuppen, sondern arbeiten auch mit Schauspiel, Musik, Licht und Video. "Neben diesem Mix werden wie gewohnt alle Sinne strapaziert – Lichtregie, Video- und Musikeinsatz, teils auch choreografische Eleganz sind wie üblich im Einklang mit ungewohnten Theatermitteln: hier der Einsatz von großen Schulkarten, einer Art manueller Drehbühne und einem Röhrenradio plus Schreibstubenutensilien aus der Zeit der Romanentstehung vor zwei Generationen. Dazu singt Sabine Köhler solo vorzüglich wie schleppend eine Neuversion von Britney Spears' 'Toxic'", schreibt der Kritiker Andreas Hermann im Portal "Fidena".
Weitere Informationen
"Die Jüdin von Toledo"
Figurentheater von Cie. Freaks und Fremde nach Lion Feuchtwanger
Adresse:
Societaetstheater
An der Dreikönigskirche 1a
01097 Dresden
Dauer: 100 Minuten
Termine:
8. Mai, 20 Uhr
9. Mai, 20 Uhr
Performance in Dresden: "Ferne Väter" an der Bürgerbühne
Sie werden mehr, werden sichtbarer und werden lauter: die sogenannten Wochenend-Väter. Es sind Männer, die ihre Beziehung beenden, das Sorgerecht der gemeinsamen Kinder an die Mutter geht und die Väter nur noch kleine Gastrollen im Leben ihrer Kinder spielen. Auf der einen Seite werden damit ungerechte Rollenverteilungen zementiert, statt Männer in die Verantwortung zu nehmen. Auf der anderen Seite nutzen manche Männer diesen Umstand auch, um die ehemalige Partnerin als herzlose Furie darzustellen, die Kindern den Vater vorenthalten. Die Bürgerbühne des Dresdner Staatsschauspiels hat zehn solcher Wochenend-Väter für die Produktion "Ferne Väter" eingeladen. Mit viel Musik und witzigen Spielideen erzählen sie auf der Bühne, über brutale Trennung – körperlich und psychisch. Die Gefahr der Einseitigkeit solcher Produktionen zeigt sich auch, doch gleichzeitig bleibt immer deutlich, dass hier nur eine Seite einer schwierigen Beziehung gezeigt wird. Immer wieder "wächst der Abend über sich hinaus", erzählt der Kritiker Torsten Klaus in den "Dresdner Neuesten Nachrichten". Denn obwohl die Geschichten schonungslos erzählt werden, wird es am Ende ganz utopisch, wenn die Väter in Frauenkleidern über die Bühne tanzen.
Weitere Informationen
"Ferne Väter"
ein Projekt mit Trennungsvätern von Jonas Egloff und Emily Magorrian
Adresse:
Kleines Haus des Staatsschauspiels
Glacisstraße 28
01099 Dresden
Dauer: 90 Minuten, keine Pause
Termine:
28. Mai, 19:30 Uhr
Schauspiel in Görlitz: "Das beispielhafte Leben des Samuel W."
Von Menschen, die schreiben – vor allem, wenn sie für das Theater schreiben – wird erwartet, dass sie das Ohr beim "Volk" haben. Dass sie im Alltag genau hinhören, um den Zeitgeist und dessen Stimme aufgreifen zu können. Genau das hat der Görlitzer Autor Lukas Rietzschel gemacht: Sein Stück "Das beispielhafte Leben des Samuel W." ist eine Collage aus zahlreichen Zitatschnipseln oder -kondensaten. Vordergründig geht es im Stück um einen skandalumwitterten Wahlkampf um das Bürgermeisteramt (so wie er in der Heimatstadt des Autors, Görlitz, tatsächlich geführt wurde). Hintergründig porträtiert es jedoch die Stimmung in der Lausitz, vielleicht sogar im ganzen Osten. Regisseur Ingo Putz schafft es dabei auch immer wieder Spielszenen zu entwickeln, aus den pointierten, mal ernsten, mal witzigen, manchmal auch widersprüchlichen Texten Szenen und Dialoge zu entwickeln. "Eine überzeugende Inszenierung, die auf einer zweiten Ebene von den großen und den kleinen Fragen unserer Demokratie handelt", freut sich MDR KULTUR-Theaterkritiker Matthias Schmidt. Das Stück ist ans Deutsche Theater Berlin zu den Autor*innentheatertagen 2024 eingeladen.
Weitere Informationen
"Das beispielhafte Leben des Samuel W." von Lukas Rietzschel
Adresse:
Theater Görlitz
Demianiplatz 2
02826 Görlitz
Dauer: 80 Minuten, keine Pause
Termine:
11. Mai, 19:30 Uhr
12. Mai, 19 Uhr
Musiktheater in Dresden: "Otello" an der Semperoper
Otello kehrt gerade siegreich zur Kriegsbasis und muss sich schon einer neuen Schlacht stellen. Doch weil er gar nicht merkt, dass er im Kampf ist, steht er eigentlich schon auf verlorenen Posten. Sein Untergebener nimmt ihm eine verwehrte Beförderung krumm und treibt deswegen einen Keil zwischen Otello und seine junge Frau Desdemona – bis es zum Mord kommt. Der italienische Komponist Giuseppe Verdi hat das bekannte Drama von William Shakespeare vertont und dabei die Grenzen der damaligen Konvention ausgereizt und eine spannende Form entwickelt. Für die Inszenierung von "Otello" an der Dresdner Semperoper konzentrierte sich Regisseur Vincent Boussard vor allem auf die Beziehungen zwischen den Figuren und die tieferliegenden Beweggründe. Der Kritikerin Ingrid Gerk kommt das manchmal etwas distanziert vor, doch die Sächsische Staatskapelle spielt dafür die Komposition umso aufwühlender, so Gerk im "Merker".
Weitere Informationen
"Otello"
Oper von Giuseppe Verdi nach William Shakespeare
Adresse:
Semperoper
Theaterplatz 2
01067 Dresden
Dauer: 170 Minuten, eine Pause
Termine:
5. Mai, 15 Uhr
8. Mai, 19 Uhr
11. Mai, 19 Uhr
17. Mai, 17:30 Uhr
Schauspiel in Radebeul: "König Ubu" an den Landesbühnen
Die Ubus wollen nicht verschwinden, auch wenn die Welt sie immer wieder entlarvt. Darum bleibt auch Alfred Jarrys groteskes Stück "König Ubu" von 1896 ungebrochen aktuell. Mit den absurdesten Szenen wird illustriert, wie sich ein Kleinbürger an die Spitze des Staates kämpft und mordet. Und erstmal an der Spitze angekommen, regiert er auch mit Brutalität und Willkür. An den Landesbühnen in Radebeul wurde das französische Stück neu übersetzt und aktualisiert. Die Inszenierung von Jan Meyer setzt auch ganz auf die absurden Momente des Stückes. Es geht es nicht um Menschen oder Charaktere, sondern um Karikaturen und Fratzen. Besonders begeistert ist Kritiker Rainer Kasselt in der "Sächsischen Zeitung" jedoch vor allem von der Energie des Ensembles. "Das elfköpfige Ensemble ist mit Feuereifer dabei. Die Schauspieler werden mehr physisch als psychisch gefordert. Einige verkörpern mehrere Rollen. Gleich siebenfach ist der dauerpräsente, stimmkräftige Alexander Wulke gefordert. Ein Höhepunkt ist die Falltür-Szene. Grian Duesberg spielt in rasendem Tempo alle Blaublütler, die im Minutentakt mit einer Fliegenklatsche erschlagen werden. Julia Rani trägt eine tote Soldatenpuppe vor sich her, marschiert im Stechschritt vor den Augen des Hofes, eine Armee markierend."
Weitere Informationen
"König Ubu" von Alfred Jarry
Adresse:
Landesbühnen Sachsen
Meißner Straße 152
01445 Radebeul
Termine:
5. Mai, 19 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 22. Januar 2024 | 08:40 Uhr